Auf nach Edinburgh, Kartonboxen untergebracht bei unseren Warmshowers-Hosts Andy und Fi – die uns nicht nur Tipps zur Route gaben, sondern auch gleich unsere Boxen für drei Wochen hüteten. Stefans erste Veloreise, ein bisschen Nervosität lag in der Luft. Kaum war das Gas für den Kocher gekauft, rollten wir auch schon los, raus aus der Stadt, hinein in sanfte Hügel und endlose Landwirtschaft. Top Wetter, Rückenwind, noch alles easy.
Doch Schottland wäre nicht Schottland, wenn es nicht ziemlich schnell ernst würde. Bereits am zweiten Tag die Scenic Route Richtung Highlands: Aufforstungsprojekte an jungen Hügeln, Glenshee Ski Center – und Rampen, die mit 26% Steigung eher an eine schwarze Skipiste erinnern (die Skipisten oben hatten dann ein maximales Gefälle von 15%). Die Belohnung: immer spektakulärere Landschaften. Autofahrer gaben uns Platz wie man es sich wünscht – ausser sie hatten ein DE- oder IT-Kennzeichen … Dann wurde es schon mal schmal.
Nach einer ersten Campingnacht vor Braemar ging’s weiter nordwärts. Inverness war Pause, Wäsche, Sightseeing – und ehrlich gesagt: eher lame. Dafür danach umso schöner: Wasserfälle, einsame Strassen, der Duft von Moor und Meer. Die Mitches – winzige Beissmücken – fielen uns morgens regelmässig in Scharen an, Stefan (und auch mir?) ging das irgendwann richtig auf die Nerven. Aber wenn man sich durch Regen und Gegenwind beisst, sind die unspektakulären Momente am Ziel doppelt wertvoll und eindrücklich: Bäckereien, Nudelsuppe am weissen Sandstrand von Achmelvich, glasklares Wasser, brünftige Hirsche am Wegesrand und ein Schaf, das auf dem Campingplatz nach seiner Mama ruft.
Die NC500 zeigte sich von ihrer besten Seite: unzählige kleine Seen, steile Rampen und diese Mischung aus Einsamkeit und Herzlichkeit, die Schottland so speziell macht. Immer wieder kleine Begegnungen: ein herzlicher Kaffee kurz vor dem Ziel, ein zufälliger Plausch mit Radreisenden auf der Fähre, jemand der aus dem Nichts auftaucht und einen Shuttle anbietet, wenn man völlig durch ist. Diese Hilfsbereitschaft war nie Show, immer echt.
Die letzte Woche führte uns auf die äusseren Hebriden, Fähren nach Stornoway und Leverburgh, windige Etappen und wieder diese Mitches beim Aufstehen. Die Mitches – winzige Beissmücken – fielen uns morgens regelmässig in Scharen an. Der Gute-Laune-Gesang sollte mich aufmuntern. Nach zehn Kilometern Dauerwind und -regen hat mich dieser Gesang allerdings eher an den Rand des Wahnsinns gebracht als motiviert....
Wir fuhren am berühmten Glenfinnan-Viadukt vorbei, das in jedem Harry-Potter-Film auftaucht. Vor Ort dann 3'000 Fans, die auf den Dampfzug warten – ich frage mich bis heute, warum. Wir sahen ihn dann doch noch vorbeidampfen, während wir schon Richtung Ziel rollten. In Fort William endete unsere Tour – nass, müde, aber glücklich.
Zurück bei Andy und Fi standen unsere Kartonboxen fein säuberlich bereit, es gab ein gemeinsames Abendessen, viel Lachen und das gute Gefühl, drei Wochen lang Schottland wirklich erfahren zu haben: die wilden Küsten, die steilen Berge, die netten Menschen, die vielen Hunde und das Mückeninferno. Schottland auf dem Velo ist kein Sonntagsspaziergang – aber wer sich darauf einlässt, wird reich belohnt.
PS: Hab ich eigentlich erwähnt, wie viele Runden "Skip.bo" wir gespielt hatten?
PS2: Überall Hunde. Wirklich überall. Manche werden so geknuddelt, dass man lieber nicht so genau wissen will, was die Leute sonst noch alles mit ihren Vierbeinern anstellen.
Unsere Route findest du >> hier